Schön ist's im Bregenzerwald

Aller Orten und auf allen Kanälen wird man als Motorradfahrer mit dem "Kurvenparadies Alpen" zugeschüttet. Wie toll es doch dort überall sei, überall nur Kurven, Pässe und schönste Aussicht.

Stimmt - So sieht's da oberflächlich betracht auch aus. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es so gar nicht meine Welt ist - das erkläre ich Euch nachfolgend. Nach einem ersten gescheiterten Versuch vor zwei Jahren, in den Dolomiten Urlaub mit dem Motorrad zu machen, haben wir dieses Jahr 4 Tage Bregenzerwald gemacht.

Trude, die Zicke

McGyver und die TrudeNach 40 km mussten wir in Amstetten zum Tanken anhalten. Normalerweise nichts Erwähnenswertes. Normalerweise. Ist man mit technischen Geräten unterwegs, die älter als 20 Jahre sind, so kann man sich auch schon mal auf Überraschungen einstellen. Ich rollte nach dem Bezahlen Richtung Tankstellenausfahrt, damit der wartende Herr hinter mir - von einer Gruppe Motorradfahrern aus dem Raum Nbg-Fü - endlich tanken kann. Ein Blick in meinen Rückspiegel brachte mich aus dem Konzept: Mein Mann, winkend und Trude als Tretroller umfunktioniert. Umdrehen und zu Schatzi. "Die springt nicht mehr an." Äh? Wie bitte? Trude springt nicht mehr an? Och nööööööö. Blöde Kuh.

Die mittelfränkischen Jungs hatten sich mittlerweile auch am Rand aufgestellt, alle bewaffnet mit ner Halben. So unter Bikern hilft man sich ja - und schwupps wurde Schatzi samt Trude über die Tankstelle angeschoben. Tat sich aber nix. Aber so überhaupt gar nix. Die hat noch nicht mal gezuckt.

Schatzi als McGyver: bewaffnet mit einem Leatherman hatte er den Fehler entdeckt. Der Kontakt zur Batterie war korrodiert. So war die Weiterfahrt gerettet. Mit einstündiger Verspätung machten wir uns auf Richtung Süden.

Bregenzerwald

Der Bregenzerwald ist von uns aus recht einfach in angenehmer Zeit zu erreichen. Unser Quartier haben wir in Bezau im Gasthof Hirschen aufgeschlagen. Ein wunderschöner alter Gasthof von 1800 mit modernen Zimmern und einer tollen Wirtin.

Furkajoch oder: einmal werden wir immer nass

Nach der Ankunft am Mittag und ein wenig Augenpflege, sind wir nachmittags gleich noch mal los. Eine kleine Runde von guten 100 km sollte es werden. Wir hatten ein kleines Bergsträßchen zwischen zwei Nachbarorten zum "Einfahren" gewählt (Bizau - Hinter Schnepfegg - Schnepfegg - Schnepfau). Das war dann mal zum Warmwerden. Weiter ging es erst wieder nördlich an Bezau vorbei. Schwarzenberg - Losenpass - Dornbirn - und wieder südlich nach Rankweil. In Dornbirn haben wir uns durch die Hitze gestaut und waren froh, endlich irgendwann die Stadtgrenzen verlassen zu haben. Lediglich die ständige Geschwindigkeitsbeschränkung zwischen 60 km/h und 70 km/h ließen keine richtige Abkühlung aufkommen. Erst als wir bergaufwärts zum Furkajoch unterwegs waren, wurde es angenehmer.

Furkajoch im Regen

Die Sonne lachte, weiße Wölkchen am strahlend blauen Himmel - Bilderbuchwetter. Bis - ja bis wir den höchsten Punkt erreichten: Furkajoch. Dicke Tropfen hielten uns davon ab, oben anzuhalten. Wir wollten so schnell wie möglich und möglichst trocken Richtung Damüls weiter. Die Hoffung wurde allerdings gleich zunichte gemacht, als uns eine Gruppe Trikefahrer im Regengummi entgegen kam. Bergab wurde es immer schlimmer, schaumgesäumte Bäche flossen über die Straße, die Himmelsschleusen gaben, was sie konnten und wir kamen uns vor, als wollte es uns, lästige Zweiradzwerge, vom Berg herunterspülen. Zwischendurch brauchten wir eine kleine Verschnaufpause an einer Hütte am Wegesrand, um dann heiter weiter immer den Berg herunter zu fließen. Hier hat mein rechter Blinker irgendwie Wasser gezogen und er leuchtete fröhlich durch den Regen. Ordnungsgemäß geblinkt hat er aber trotzdem. Ach ja, und Chilaili quittierte Ihren Unmut im Regen mit einer ziemlich laut quietschenden Vorderbremse.
Endlich wieder unten in Au angekommen, war von Regen nichts mehr zu spüren. Zum Glück, so wurden wir während der Retoure zum Hotel wieder trocken gefönt - es war ja angenehm warm.

Im Norden ist's trocken

Den ganzen Freitag hat der rechte Blinker immer noch so vor sich hingeglimmt bis er endlich trocken war. Und unsere Tour ging diesmal in Richtung Norden, da für den Süden Regen angesagt war. Müselbach - Oberstaufen - Sulzberg. Dort hat man eine wriklich fantastische Aussicht. Nach einer ausgiebigen Mittagspause im Gasthof Ochsen in Sulzberg ging's runter nach Doren - Krumbach - Glatz - Müselbach - Dornbirn. Hier war es wieder unerträglich heiß und wahnsinnig viel Verkehr. Wie das so ist, verpasst man ohne Navi auch schon mal eine Abzweigung, so dass wir umdrehen mussten. So eine unscheinbare Abbiegung zum Losenpass rauf kann man schnell übersehen, wenn man mit Start-Stop, bei grün blinkenden Ampeln und mehrspurigen Straßen unfallfrei durch den Verkehrsdschungel muss.

Losenpass

Oben endlich angekommen, hatten wir uns die frischen Erdbeeren mit Vanilleeis redlich verdient. Wir waren vom gestrigen Tag auch noch geplättet - Anreise und noch eine Tour mit Nasswerden, wir sind halt doch nicht mehr die Jüngsten. Also Losenpass wieder runter und Richtung Heimat-Gasthof. Der Gasthof ist wirklich zu empfehlen: Essen super, Zimmer super und eine Wirtin samt Team, die einem den Aufenthalt so angenehm und entspannt wie nur möglich machen.

Im Zeichen der vier Pässe

Der Samstag stand ganz im Zeichen der Kehren. Am Morgen ludt ein azurfarbener Himmel mit Schäfchenwolken zu einem herrlichen Tourtag zur Silvretta-Hochalpenstraße ein. Der Weg dorthin führte uns über den Faschinapass. Ein sehr agenehm zu fahrender Pass, der keine großartigen Handlingskünste von einem Chopperfahrer abverlangt. Runterwärts kann man es ganz locker rollen lassen, ein paar Kehren erfordern ein wenig Hinterradgebremse, aber alles ohne nennenswerte Aufregung.

Im Tal in Bludenz angekommen, ist die Strecke bis zur Silvretta-Hochalpenstraße etwas zäh und langweilig. Bundesstraßen-Gegurke mit 70 - 80 km/h und einer Menge Dosen und Motorradfahrern. Aber irgendwann fährt man endlich durch Partenen und die Mautstelle ist zu sehen. 12 Euronen für eine Tageskarte sind zu berappen. Dafür bekommt man dann auch noch einen Silvretta-Aufkleber :-) Von Partenen ist es die "schönere" Seite, denn man hat knapp 20 Kehren raufwärts vor sich.

Silvretta 

Silvretta Panorama Straße mit dem MotorradIch bin ja nun das erste Mal so richtig in den Alpen und hatte anfangs doch Respekt vor diesen engen Bergauf-Kurven. Das hat sich nach der dritten Zirkelaktion gelegt. Ordentlich schauen, die richtige Linie mit den Augen suchen, den richtigen Gang nehmen, etwas mit der Kupplung spielen, schwupps ist man um die Kurve rum. Teilweise schlichen Dosen vor uns herum, so dass wir schon genötigt waren, diese auf den kurzen geraden Stücken zu überholen - die sind so langsam gefahren, dass ich schon Angst hatte, mit Chilaili umzufallen ... Die Überholaktionen haben bei mir mehr Adrenalin ausgelöst, als die Kurven.

Unseren ersten Stop haben wir am Vermunt-Stausee gemacht. Romantisch ist anders: Wenn man durch ein Steinbruchbetriebsgelände gefahren ist, sieht man rechter Hand gleich den türkisgrünen See. Schnell links angehalten - hier stehen derzeit Bürocontainer auf dem Parkplatz, irgendwas wird gebaut. Beim Überqueren der Straße für ein schönes Erinnerungsfoto, muss man vorsichtig sein. Just zu diesem Zeitpunkt war der Porsche-Proll-Club unterwegs und raste ohne Rücksicht auf Verluste dort oben herum. Wir haben die Querung der Straße überlebt :-)

Bis zum Silvretta-Stausee kommen noch einmal vier gemütliche Kehren. Der Parkplatz dort oben an der Biehler Höhe war so voll, dass wir nur kurz etwas abseits angehalten haben, um dort ein Beweisfoto zu schießen. Bevor man die erste Kehre abwärts erreicht, ist man in Tirol. In dieser Richtung (Wirl / Galtür) gibt es lediglich vier Kehren. Macht nix - ich mag sowieso so steile Bergabkehren nicht.

Arlbergpass

In Galtür haben wir direkt nach der Ortseinfahrt am Café Günther angehalten, um uns ein wenig zu stärken. Das Paznauntal ist nicht sehr spektakulär. Eine gut ausgebaute Bundesstraße, die sich neben der Trisanna schlängelt. In Pians geht der Weg über eine riesige Kehre in Richtung St. Anton am Arlberg. Am Arlberg haben wir noch einmal angehalten, um uns dann in Richtung Zürs auf zu machen. Es waren dort viele Menschen in Dosen und auf zwei Rädern unterwegs, so dass wir mit dem Linksabbiegen so unsere liebe Not hatten (ich hab dann auch gleich meine Karre abgewürgt und stand noch ein paar Minuten länger, bis sich wieder eine Gelegenheit zum Abbiegen fand ...) Auf dem Weg bergauf, der mit Einhausungen und Tunneln gespickt war, hatten wir einen 40-Tonner vor uns, der uns in eine Dieselwolke einnebelte. Dazu kroch er mit atemberaubenden 15 km/h durch die Löcher des Bergs. Unsere erste Tat, als wir wieder blauen Himmel über uns erblickten: überholen.

Hochtannbergpass

Ein ganzes Stück ging es jetzt unspektakulär bis Warth. Ein letztes Mal mussten die Mädels jetzt noch einen Pass erklimmen: den Hochtannbergpass. Auch hier geht der Blutdruck nicht viel höher. Dann hatten wir unsere Pass-Runde geschafft. Gemütlich ging's zurück in den Heimatstall nach Bezau.

Auf nach Hause

ArlbergpassAm Sonntag ging's in der Früh mit einem kleinen Umweg über den Riedbergpass - deutschlands höchstem Pass - wieder in Richtung schwäbische Heimat. Auf dem Riedbergpass erwartete uns noch eine kleine Off-Road-Einlage: Es fehlte auf dem ersten Stück ins Tal 200 m Straßenbelag. Na prima - da hatte ich dann auch mal wieder Blutdruck. Den Weg abwärts fand ich sowieso nicht so prickelnd - Abwärtskehren sind einfach Sch ... 

Grundsätzlich war es eine Reise wert. Grundsätzlich kann ich Kurven und Kehren fahren. Grundsätzlich brauche ich davon keine Wiederholung. Ich habe keinen Spaß an Kehren, die ich im ersten Gang bergauf fahren muss, Kehren bergab im zweiten Gang und mit Bremsunterstützung mag ich genau so wenig, die gehen mir auch auf die Handgelenke. Das stresst mich nur. Ich mag moderate Kurven, die ich in einer moderaten Geschwindigkeit fahren kann. Heißt, alles zwischen 80 und 100 km/h (ich fahre ja immer StvO-gemäß ;-) ) - Strecken, auf denen ich am Scheitelpunkt der Kurve ordentlich herausbeschleunigen kann.

Die Alpen als Non-Plus-Ultra der Motorradreise habe ich (und Schatzi auch) nicht so wahrgenommen. Auch wenn die Landschaft definitv unschlagbar ist, so wird dort in der nächsten Zeit kein Motorrad-Urlaub mehr hin gehen. Feine Mittelgebirge mit schlängeligen Straßen warten darauf, von uns unter die Räder genommen zu werden.

 

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