Es ist Herbst, die erste große Messe für die kommende Motorrad-Saison in Köln (INTERMOT) ist in vollem Gange. Alle Hersteller zeigen, was sie neues haben. Achtung - dieser Artikel ist gespickt mit Satire, Ironie und Provokation. Wer das nicht versteht, sollte hier jetzt aufhören zu lesen.
Leider kann ich persönlich nicht vor Ort sein. Dafür läuft die visuelle Berichterstattung über Facebook von allen Seiten super gut.
Willkommen auf der InterMops!
Ja ja, genau DAS will doch DER Besucher sehen! Echt jetzt? Ich dachte, die Hersteller wollen Motorräder verkaufen und keine Frauen (Anm. der Red.: Ich war jetzt doch schon oft genug auf einer Mopped-Messe - ich schnall's immer noch nicht). Oft scheint das Produkt eher in den Hintergrund zu geraten, vor lauter Silikonmöpsen, aufgespritzten Lippen und Extensions. DER Besucher bringt zumeist seine Frau auch noch mit, sofern Manni (nennen wir unseren fiktiven Charakter einfach mal so) nicht gerade "Männertag" hat und mit einer Horde testosterongesteuerter Halbaffen in bierseliger Laune über die Messe streunt und 50 Plastiktüten aller Marken an der Hand hat. Ich schweife ab - also meist begleitet die Frau / Freundin nebst Jungspund den begeisterten Motorradfreak. Die Hersteller führen ihre neuesten Modelle vor. Technische Wunderwerke, die viel Geld für Entwicklung, Design und Sicherheit verschlungen haben. Ingenieurskunst vom Feinsten also. Bei der Vorstellung glänzen aber nicht die technischen Verbesserungen - nein - es werden Models in kurzen Röcken und hohen Schuhen drauf drapiert, die noch nie die Emtionalität eines Ritts auf diesem Gefährt erfahren haben. Weil sie nicht fahren können! Sie sitzen nur da und lächeln ihr Bleached-Teeth-Lächeln und lassen sich von einem der mit Testosteron überfluteten Mannis ablichten, während womöglich noch die Freundin daneben steht. Letzteres ganz böser Fehler! DIE Maschine wird sicherlich nicht gekauft, da hat die bessere Hälfte zu den Ausgaben auch noch ein Wörtchen mitzureden. Sind die neuen Modelle der Hersteller so schlecht, dass man mittels Sex von den Produkten ablenken muss?
Sex doesn't sell
Die Marketing-Experten der Hersteller glauben also im 21. Jahrhundert immer noch (zumindest die meisten), dass Sex sells. Das kann zum Teil stimmen, wenn Aussage und Produkt korrelieren - also bei Viagrawerbung ;-).
Bushman, der auch Kommunikationswissenschaftler ist, erklärt: „Menschen konzentrieren sich so stark auf die sexuellen Inhalte, dass sie die eigentliche Werbebotschaft weniger beachten.“
Doch haben in neuester Zeit schlaue Leute herausgefunden, dass es aber auch genau in das Gegenteil umschlagen kann und das Produkt / die Marke negativ wahrgenommen und entsprechend nicht gekauft wird. Wir sind teilweise auch schon so abgestumpft, was uns die Werbung an nackter Haut zeigt, weil sie es so oft, ständig und über die Maßen zeigt, dass die erhoffte Wirkung (massenhafter Verkauf des neuen Produkts) gar nicht eintritt. Es gibt meines Erachtens nichts Schlimmeres, Dinge, die eigentlich nicht korrekt sind, als "normal" zu bewerten. Nur weil man es ständig vorgekaut bekommt und es deshalb, weil es ja schon immer so war und Tante Frieda nebenan auch nicht meckert, hört man auf zu hinterfragen? Was für ein Image möchte mir der Hersteller verkaufen? Mir als Frau?
Es entscheidet die Frau
Frauen als Objekte in der Werbung, nur um einen Hingucker zu bekommen ist billig, abgedroschen und bescheinigt dem Designer totale Einfallslosigkeit. Dem Jungspund auf der Messe wird vermittelt, dass Frauen gefügig lächelnd nur zum Moppedputzen zu gebrauchen sind und nicht als gleichberechtigte Partnerin auf der eigenen Maschine. Doch: Es gibt genügend Frauen, die selber Motorrad fahren, die ihr eigenes Geld verdienen und um sich ihren Traum vom Motorrad zu erfüllen, tief in den Geldbeutel greifen. Dazu braucht es aber keine dümmlich grinsenden Models auf den Maschinen. Die Frauen wollen Zahlen, Daten, Fakten. Sie wollen das Traumbike anfassen, drauf sitzen und wissen, wo sie es in ihrer Nähe Probefahren können. Wie soll das gehen, wenn da so ein Silikonbomber drauf hockt? Oder wenn der Mann eine neue Maschine kaufen möchte, weil seine Frau als Sozia gerne dabei ist? Es ist wie beim Autokauf - da entscheidet schlussendlich die Frau, was in der Garage steht (jaja, ich weiß, ist bei Euch gaaaanz anders ...). Und sind wir doch mal ehrlich: Welche Beziehung funktioniert lange problemlos, wenn er das ganze Wochenende mit dem Motorrad unterwegs ist und sie zusehen muss, wie sie ihre kostbare Zeit rum bringt, wenn keine Kinder im Haus sind. Ja, ich höre schon wieder die Einwände: "Bei unserer Beziehung geht das aber!" Klar. In meinem Bekanntenkreis ist kein Paar, das das macht. Da wird entweder gar nicht gefahren oder nur einmal kurz um die Milchkanne. Schatzi und ich sind da die Ausnahme.
#WomenNotObjects
Zurück zur Objektifizierung - Frauke von fembike.de postete zwei Werbeflyer mit "Tiefer ist geiler" eines Zubehörherstellers mit verschwommen abgebildeten Kopulationsszenen als Kopfkino-Aufreißer. Abgesehen davon, dass der Hersteller pauschal der Meinung ist, dass alle Frauen auf Schwengel-Einführung bis zum Zäpfchen stehen, ist es einfach nur dumm. Was möchte er verkaufen? Jaaaa - sein Tieferlegungskit. Und wer kauft in den meisten Fällen ein Tieferlegungskit? Richtig! Frauen. Also, wir haben hier ein eindeutig sexistisches Motiv, das eine Frau dazu animieren soll, eine Tieferlegung zu kaufen? Hä? Ich glaube eher, der Designer, der das "entworfen" hat, wünschte sich, er hätte so einen langen ... . Oder hat das gar eine Frau entworfen? Dann möchte ich eigentlich nicht ihre sexuellen Vorlieben wissen - das ist ihr Privat-Ding. Ich habe mal als Marketeer gelernt, dass meine Vorlieben nicht immer denen des Kunden entsprechen.
Spaßbefreite Emanze - gerne
Wenn frau es nicht in Ordnung findet, wenn so geworben wird, diese das auch kund tut, wird man gleich von den eigenen Geschlechtsgenossinnen als "spaßbefreite Emanze", "Feministin" oder ähnlichen Diffamierungen angegriffen. Es werden Werbekampagnen mit weit weniger Fleischbeschau als sexistisch abgesetzt - zuletzt die wirklich geniale Werbung von true fruits, da habe ich mich köstlich drüber amüsiert und da gab's nur Trinkflaschen mit Smoothies zu sehen.
Man solle das doch nicht so ernst sehen, wie verklemmt / weltfremd man doch sei, einfach weitergehen / scrollen sind die Aussagen der Damen und auch so manchen Herrn. Doch ich nehme das ernst, weil es einen Menschen zum Objekt macht, ihn herabwürdigt. Ich, für meinen Teil, finde diese Denkweise für unser Jahrhundert überholt. Auch der Einwand, Werbung sei doch ebenfalls Kunst und Kunst darf alles, den möchte ich nicht so stehen lassen. Dazu zitiere ich aus einem Interview mit der Werberatschefin Julia Busse:
Werbung, die Menschen als Objekt sexueller Bedürfnisse vorführt und zum Beispiel Frauen willenlos zeigt, nur fokussiert auf Brüste und Hintern, überschrieben mit Texten wie zum Beispiel "Tausch deine Alte aus", wenn für eine neue Küche geworben wird, überschreitet deutlich die Grenze. Auch Werbung, die Gewalt oder die Verharmlosung von Gewalt gegenüber Männern oder Frauen enthält, ist inakzeptabel.
Nein - Werbung / Kunst darf einfach nicht alles. Wenn wir als Frauen ernst genommen werden wollen und respektiert, so wie wir sind - selbstbewusst weiblich - ohne nur auf unser Äußeres und unsere "Fickbarkeit" heruntergebrochen zu werden, dann sollten wir gemeinsam gegen solche sexisitischen Idioten vorgehen und dieses auch öffentlich machen. Natürlich ist immer die Gefahr da, wenn man damit in die Öffentlichkeit geht, dass man erst recht diese Firma pusht. Da bin ich auch immer im zweigeteilt - doch wenn man etwas schweigend hinnimmt, gibt man Nachahmern weiter Raum. Ich habe nichts gegen eine gute, clevere Werbung, die mit Erotik spielt - doch irgendwo gibt es Grenzen.
P.S.: Lobend erwähnen möchte ich hier noch BMW Motorrad, die auf ihren Tragetaschen die Welt wieder etwas gerader rückt:
Mehr zum Thema / Quellen:
Sexismus gehört an den Pranger, nicht in die Werbung
„Sex doesn’t sell“: Warum das Motto „Sex sells“ schon lange nicht mehr zieht
Was ist der Unterschied zwischen Werbung und Kunst?
Burrack vs. Meichle – Werbung ist Kunst (!?)