Eigentlich wollte sie zum Nordkap

Ich möchte Euch in diesem Portrait eine Frau vorstellen, für die es keine Grenzen gibt: Margit - Wienerin, Pensionistin, weitgereist mit einer Fülle an Lebenserfahrung und dem Sensenmann erst kürzlich von der Schippe gehupft.

 Wenn Frau in Pension ist, dann ist Frau nicht mehr ganz taufrisch. Das macht Margit aber gar nichts aus. Frau ist so alt, wie Frau sich fühlt - basta.

Das ist mein Motorrad! Wenn ich groß bin, fahre ich mit meinem Motorrad durch die ganze Welt!

Als kleines Mädchen hat Margit aus ihrem Tret-Roller ein Motorrad "gemacht" und ist auf der DKW von Onkel Richard herumgeturnt.

Chappy im Doppelpack

Mit 25 erbte sie ein wenig Geld und kaufte damit zwei Yamaha Chappy LB50. Eine für sich und eine für ihren Mann, selbstverständlich, man ist ja eine gute Ehe-Frau. Aber der Freiheitsdrang wurde größer und die Chappy reichte nicht mehr ... So lieh sich Margit öfter mal Mopeds und fuhr in den Wienerbergen Motocross. Leider wurde sie dabei des öfteren von einem Polizisten erwischt. Zum Glück, denn dieser Polizist war ein alter Schulfreund.

Als Frauen noch um Erlaubnis fragen mussten

Ich muss ein wenig ausholen: Vor über 40 Jahren war Frau gezwungen, den Ehe-Mann um Erlaubnis fragen, was Frau tun darf - in Österreich wie auch in Deutschland. Kaum vorstellbar heutzutage. Doch mit einer gut ausgeklügelten List und dem guten Schulfreund, ist es ihr gelungen: Bei einem "zufälligen Treffen" während eines Spaziergangs, erzählte der Herr Polizist Margits Mann, dass er es nicht mehr länger dulden könne, dass Margit ohne Führerschein durch die Gegend führe und sie innerhalb eines halben Jahres diesen nachzuweisen habe. Ansonsten drohten Konsequenzen wie Anzeige, Gerichtsverhandlung und noch mehr Unangenehmes. Natürlich wurde dieses Versäumnis zügig nachgeholt. Ihr erstes Motorrad, eine Suzuki RV125, bekam sie mit einem ähnlich klugen Schachzug. Frau muss sich nur zu helfen wissen!

Auf nach Norwegen - auf zum Nordkap

Nach dem Tod ihres Mannes 1988 gab es kein Halten mehr: Auf zum Nordkap - mit Charly Brown 450 Silberpfeil. Zwei Mal war sie mit ihm an dem Schieferplateau auf der norwegischen Insel Magerøya. Respekt! Es kam der LKW Führerschein und Margit steuerte die dicken Sattelzüge über die Straßen. Doch irgendwann packten sie Depressionen - und was ist die beste Therapie bei Depressionen? Richtig! Motorradfahren. Da trat Ennio in Ihr Leben - die Kawasaki EN500.

Die Sache mit dem Sensenmann

Mit Ennio wollte sie im Sommer 2016 auch zum Nordkap. Die Vorbereitungen liefen gut und die Abfahrt war planmäßig - doch die Reise endete für beide früher als erwartet: wegen eigener Schusseligkeit an einer Leitplanke auf regennasser Autobahn bei Dresden. Es hätte auch anders ausgehen können. So war es Glück im Unglück: Ein paar Blessuren und ein Krankenhausaufenthalt für Margit und ein paar Kratzer und Dellen am Motorrad. Doch nichts, was nicht reparabel gewesen wäre: Margit und Ennio sind mittlerweile wieder unterwegs.

Margit ist der lebende Beweis, dass weder Geschlecht noch Alter das Motorradfahren einschränken.

 

P.S.: Wer mehr über Ennio erfahren möchte, der kann das hier: "Ennio. Tagebuch eines Motorrades" ist im vergangenen April mit der ISBN-Nummer 978-3-86870-962-9 erschienen.

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